Freitag, 17. Mai 2013

Bio-Tomaten im Wahljahr

Mignons Alp-Traum im Wandel der Zeiten


Frei nach Johann Wolfgang von Goethe, 1796 und Erich Kästner, 1928

(Damit hinterher niemand sagen kann, er hätte von nichts gewusst)


Goethe:

Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,
Im dunklen Laub die Goldorangen glühn,
Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,
Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht?
Kennst du es wohl?
Dahin, dahin
Möcht ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn!

Kennst du das Haus? Auf Säulen ruht sein Dach.
Es glänzt der Saal, es schimmert das Gemach,
Und Marmorbilder stehn und sehn mich an:
Was hat man dir, du armes Kind, getan?-
Kennst du es wohl?
Dahin, dahin
Möcht ich mit dir, o mein Beschützer, ziehn!

Kennst du den Berg und seinen Wolkensteg?
Das Maultier sucht im Nebel seinen Weg.
In Hoehlen wohnt der Drachen alte Brut.
Es stuerzt der Fels und über ihn die Flut.
Kennst du ihn wohl?
Dahin, dahin
Geht unser Weg.
O Vater, lass uns ziehn!


Kästner:

Kennst du das Land, wo die Kanonen blühn?
Du kennst es nicht? - Du wirst es kennenlernen.
Dort stehn die Prokuristen stolz und kühn
in den Büros, als wären es Kasernen.
Dort wachsen unterm Schlips Gefreitenknöpfe,
und unsichtbare Helme trägt man dort.
Gesichter hat man dort, doch keine Köpfe,
und wer zu Bett geht, pflanzt sich auch schon fort. 

Wenn dort ein Vorgesetzter etwas will,
- und es ist sein Beruf, etwas zu wollen -
steht der Verstand erst stramm und zweitens still,
die Augen rechts und mit dem Rückgrat rollen.
Die Kinder kommen dort mit kleinen Sporen
und mit gezognem Scheitel auf die Welt.
Dort wird man nicht als Zivilist geboren,
dort wird befördert, wer die Schnauze hält.

Kennst du das Land, es könnte glücklich sein,
es könnte glücklich sein und glücklich machen.
Dort gibt es Äcker, Kohle, Stahl und Stein,
und Fleiß und Kraft, und andre schöne Sachen.
Selbst Geist und Güte gibts dort dann und wann,
und wahres Heldentum - doch nicht bei vielen.
Dort steckt ein Kind in jedem zweiten Mann,
das will mit Bleisoldaten spielen.

Dort reift die Freiheit nicht, dort bleibt sie grün.
Was man auch baut, es werden stets Kasernen.
Kennst du das Land, wo die Kanonen blühn?
Du kennst es nicht? - Du wirst es kennenlernen!


Fiktionen und Fakten:

Kennst Du das Land, wo die Tomaten blühn?
Du kennst es nicht? - Du wirst es kennenlernen!
Dort stehn die Öko-Bonzen rot und grün
in Parlamenten und Büros, als wären es Kasernen.
Dort baumeln überm Hemd die alten Zöpfe,
und unsichtbare Bärte trägt man dort.
Gesinnung hat man zwar, doch keine Köpfe,
und wer die Freiheit liebt, den jagt man fort.

Wenn dort ein Öko-Bonze etwas will,
- und es ist sein Beruf, etwas zu wollen -
steht der Verstand erst stramm und zweitens still,
die Augen links und nicht dem Zwange grollen.
Tomaten sprießen dort aus brauner Erden,
grün-rot und mistgedüngt in diese Welt.
Dort kann man nicht als freier Mensch was werden,
dort wird befördert, wer die Schnauze hält.

Kennst du das Land, es könnte glücklich sein,
es könnte glücklich sein und glücklich machen.
Dort gibt es Äcker, Wälder, Stahl und Wein,
und Fleiß und Kraft, und andre schöne Sachen.
Selbst Geist und Güte gibts dort dann und wann,
und frohe Lebenslust - doch nicht bei vielen.
Dort stecken Kind und Frau in jedem zweiten Mann,
die wolln zu gern Diktator spielen.

Dort reift die Freiheit nicht, sie bleibt rot/grün.
Was man auch baut, es werden stets Kasernen.
Kennst du das Land, wo die Tomaten blühn?
Du kennst es nicht? - Du wirst es kennenlernen!

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